Spannende Bücher lesen sich mitunter am schnellsten und manchmal auch am leichtesten. Deswegen präsentieren wir euch diesmal einen englischen Thriller, den ihr so schnell nicht mehr aus der Hand legen möchtet.
Der Blick aus dem Fenster
Wie oft sitzen wir im Zug, schauen aus dem Fenster (wenn nicht gerade aufs Smartphone), lassen die sich stetig wandelnde Landschaft an uns vorüber ziehen und beobachten. Beobachten Menschen, mustern Häuser, entdecken Details an der Bahnstrecke und manchmal fragen wir uns vielleicht, was hinter diesen Menschen und Dingen für Geschichten stecken. Mit diesem altbekannten Gefühl spielt „The Girl on the Train“ von Paula Hawkins auf faszinierende Weise.
Das Mädchen aus dem Zug
Paula Hawkins wuchs ursprünglich in Zimbabwe auf, doch zog bereits im Alter von 17 Jahren nach London, wo sie bis heute lebt. Ihr Thriller-Debüt wurde bereits in mehr als 40 Sprachen übersetzt und schaffte es auf mehrere Bestseller Listen.
Rachel, die Protagonistin des Romans, pendelt jeden Morgen und Nachmittag von einem Vorort Londons (der im Übrigen fiktiv ist) ins Zentrum der Metropole. Auf jeder ihrer Fahrten beobachtet, ja analysiert sie sogar, die Situation vor dem Zugfenster. Ein gewöhnliches Reihenhaus, in dem ein junges Pärchen lebt, hat es ihr besonders angetan. Durch ihr tägliches Ritual entwickelt sie zunehmend eine persönliche Beziehung zu den Fremden, projiziert ihre eigenen Wünsche und Sehnsüchte in das Paar und gibt ihnen überdies eigene Namen. Eines Tages wird Rachel jedoch mit einer Vermisstenmeldung konfrontiert. Und zwar von genau der Frau, die sie regelmäßig beobachtet hat.
Die unzuverlässige Erzählerin
Von nun an entspinnt sich ein Netz an Verstrickungen und Intrigen. Plötzlich ist Rachel nicht mehr nur die neugierige Pendlerin, die aus dem Fenster blickt. Nein, vielmehr entpuppt sie sich als ein Puzzleteil in dem undurchdringlichen Rätsel rund um die Vermisste. Zudem schreckt Rachel nicht davor zurück, den Ort des Dramas aufzusuchen und für neue Erkenntnisse und Konflikte zugleich zu sorgen. Allerdings gibt es ein gravierendes Problem: Rachel ist zutiefst alkoholabhängig. Im regelmäßigen Rausch tut sie Dinge, an die sie sich nüchtern nicht mehr erinnern kann. Damit erleidet sie nicht nur vor ihren Mitmenschen Gesichtsverlust und verliert an Glaubwürdigkeit; auch für den Leser wird die Ich-Erzählerin zur unzuverlässigen Informantin. Die Widersprüche häufen sich, Gedächtnislücken klaffen auf und Aussagen stehen gegen Aussagen. „The Girl on the Train“ ist ein multiperspektivischer Thriller, der die Gratwanderung zwischen Verwirrung und Spannung grandios meistert.
Eine eindrucksvolle Perspektive
Gleichwohl das Grundmotiv die Enthüllung der Identität der Vermissten ist, liefert die Erzählung auf einfühlsame Art und Weise Einblick in das prekäre Suchtverhalten Rachels. Dank der erzählerischen Mitsicht können wir mehr als nur die Symptome ihrer Abhängigkeit registrieren. Wir lernen zu verstehen, was Rachel immer wieder zum Griff zur Flasche bewegt, erleben, wie die Droge ihre Sinne benebelt und den Schmerz alter Wunden abebben lässt, werden Zeuge ihrer Gefühle der Schuld und Ausweglosigkeit.
Ein gelungener Thriller
Hawkins hat der Geschichte einen Hauch Düsternis, menschlicher Abgründe, intriganter Verbrechen und schnörkelloser Realität verliehen. Der ständige Perspektivwechsel zwischen Rachel und zwei weiteren Charakteren rollt graduell die wahren Verhältnisse auf, kontrastiert Schein mit Sein und hält den Leser bis zur letzten Seite in Atem.
Letztes Jahr erschien die Verfilmung mit Emily Blunt. Jedoch steht diese der Vorlage in Tiefgründigkeit nach und nimmt einige Veränderungen vor. Unter anderem spielt der Film nicht in London sondern New York. Beim Buchkauf ist zu beachten, dass zwei Versionen bestehen. Es ist sowohl der Originaltext als auch eine an den Film angepasste Version erhältlich. Kurze Sätze und häufige Dialoge machen das englische Original gut verständlich und sind eine ideale Möglichkeit, um euere Sprachkenntnisse zu verbessern.
Titel | The Girl on the Train |
Autorin | Paula Hawkins |
Erscheinungsjahr | 2015 |
Altersempfehlung | ab 16/17 |